Indische Kinder hauen deutsche Grabsteine

Veröffentlicht am 25.10.2006
in Redaktioneller Eintrag

Veröffentlicht am 25.10.2006

Indische Kinder hauen deutsche Grabsteine

Kinderrechts-Aktivist Wolfgang Simon zu Gast an der Kreuzkirche

Nach vorsichtigen Schätzungen stammen ca. 2/3 aller Grabsteine und Grabumfassungen auf deutschen Friedhöfen aus Indien. In den vergangenen Jahren haben indische Produzenten mit ihren unschlagbar preiswerten Arbeitsleistungen den deutschen Markt erobert. Allerdings hat dieser Siegeszug auch eine Schattenseite.
Eine Delegation, die im Auftrag des katholischen Hilfswerkes MISEREOR in südindischen Steinbrüchen unterwegs war, berichtet: „Ohrenbetäubender Lärm hallt von den Felswänden. Feiner Staub liegt in der Luft und macht das Atmen zur Qual. Wer hier arbeitet, leistet Schwerstarbeit. Barfuss und in Lumpen gekleidet sind auch viele Kinder zu sehen. Es braucht die Kraft von mehreren, um den 45 Kilo schweren Presslufthammer zu halten. Mit ihm werden tiefe Löcher ins Gestein gebohrt, um die Sprengungen vorzubereiten. Hier gibt es keine Arbeitsschutzauflagen und keine Pausenzeiten. Wer hier arbeiten muss, lebt oft in Schuldknechtschaft und hat eine Lebenserwartung von 35 bis 38 Jahren.“

Wolfgang Simon ist Dozent am Ludwigsburger Lehrerseminar und ehrenamtlich Aktivist für Kinderrechte. Er fordert dazu auf, beim Kauf von Steinen nachzufragen, von wem und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden.
Damit gesundheitszerstörende Kinderarbeit abgeschafft werden kann, soll in Deutschland ein Siegel für fair produzierte Grabsteine eingeführt werden. Es trägt den markanten Namen Xertifix und beinhaltet die freiwillige Überwachung der Steinbrüche und der Verarbeitungsbetriebe. Exporteure und Handel verpflichten sich dazu, ethische Mindeststandards überprüfbar einzuhalten. Gleichzeitig soll in Zusammenarbeit mit Behörden und Hilfsorganisationen die Lebenssituation der armen indischen Steineklopfer verbessert werden. Erste genossenschaftliche Projekte zeigen schon beachtliche Erfolge.
Zwei deutsche Steinimporteure haben Xertifix schon unterzeichnet. Kunden können bereits direkt bei diesen Betrieben bestellen. Wie sehr das Zertifikat die Grabsteine verteuert, ist umstritten.
Die Lizenzgeber meinen, mit einem 3%igen Zuschlag auskommen zu können, während andere Vertreter der Branche einen deutlich höheren Preisanstieg befürchten.
Wolfgang Simon setzt sich für eine würdige Friedhofskultur ein. „Ein Grabstein ist ein Schlussstein. Er verleiht der Einmaligkeit des Lebens eine besondere Gestalt. Damit verträgt sich keine sklavenähnliche Kinderarbeit.“

Er fordert die Stadt Ludwigburg dazu auf, runde Tische zu bilden, an denen sich Bürger, Handwerk, Handel, Verwaltung und Rathausfraktionen gemeinsam überlegen, wie bewußtere Kaufentscheidungen herbeigeführt und Friedhofssatzungen geändert werden können, um den schlimmsten Folgen der Globalisierung Einhalt zu gebieten.

Foto: Benjamin Pütter / AGEH - Misereor
www.xertifix.de

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