Wenn das Niemandsland zum Zuhause wird

Veröffentlicht am 14.01.2006
in Ludwigsburger Kreiszeitung

Veröffentlicht am 14.01.2006

Wenn das Niemandsland zum Zuhause wird

Frauenbund stellt drei Flüchtlings-Schicksale vor

(aki) – „Zermalmt zwischen den Rädern der Geschichte“, so sieht Pfarrer Martin Kreuser das Leben vieler Flüchtlinge. Drei, die in Ludwigsburg leben, berichteten beim Deutschen Evangelischen Frauenbund von ihrem Schicksal. Die Betroffenheit im Saal war mit Händen zu greifen.

Vor kurzem wurde Elias Tsegaye von den Behörden aufgefordert, in seine Heimat Äthiopien zurückzukehren. Es sei ungerecht, jemanden an einen Ort zu zwingen, wo Diktatur, Massaker und Folter das Leben bedrohen, sagt der 31-jährige gelernte Heizungs- und Klimatechniker. Sobald sich die Situation in Äthiopien verbessere, sei er der Erste, der wieder in sein Land gehe. 2001 wurde in Deutschland sein Antrag auf Asyl abgelehnt. Er lebt im Status der Duldung. Er kann nicht in seinem Beruf arbeiten. Heiraten oder studieren sei schwierig.
Flüchtlinge würden oft nur verwahrt, hätten keine Chance, etwas aus ihrem Leben zu machen, stellt Pfarrer Kreuser, Beauftragter für Flüchtlinge und Aussiedler im evangelischen Kirchenbezirk, fest.

Dies wird auch deutlich an der Geschichte der 21-jährigen Lumturije Asani aus dem Kosovo. „Wir haben kein Recht auf eine Ausbildung, kein Recht, den Führerschein zu machen. Wenn wir über die Kreisgrenze wollen, brauchen wir eine Genehmigung“, sagt sie in akzentfreiem Deutsch. Seit zwölf Jahren lebt sie mit den Eltern und drei Geschwistern in Ludwigsburg, hat hier die Realschule abgeschlossen. Dennoch ist ihr Aufenthaltsstatus nach wie vor ungewiss.

„Wir sitzen zu Hause rum, das ist deprimierend“. Vor einem Jahr wurde beim Landtag eine Petition eingereicht mit dem Ziel einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung für die Familie. Eine Antwort steht noch aus. „Ich bin hier aufgewachsen und wüsste nicht, wo ich sonst hin soll“, sagt die junge Frau. Menschen, die vorankommen wollen, würden mürbe gemacht, beobachtet Martin Kreuser.

In Todesangst lebte Lejla Bolic. Vor fünf Jahren kam die heute 25-Jährige von Bosnien nach Deutschland, wo der Asylantrag umgehend abgelehnt wurde. Weil sie konvertierte und einen christlichen Schwarzafrikaner heiratete, den sie im Wohnheim kennen gelernt hatte, drohte ihr in Bosnien wohnender muslimischer Vater mit ihrer Ermordung.
Diese Lebensbedrohung wurde von den Behörden zunächst nicht als Asylgrund anerkannt. Erst das jahrelange Kämpfen eines Rechtsanwaltes erbrachte die Aufenthaltsgenehmigung. Doch nur für Lejla Bolic. Ihr Mann und der zweijährige Sohn sind weiterhin nur geduldet.

„Im Niemandsland hängen- gelassen“, so bezeichnet Kreuser die Situation vieler Flüchtlinge. Er fordert, sie als Menschen, nicht als bedrohliche Fremde anzusehen. In den Behörden sollte, so Kreuser, mehr Mut herrschen, bestehende Regelungen großzügig auszulegen.


Elias Tsegaye
Lumturije Asani
Lejla Bolic







Die Online-Publikation dieses Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Ludwigsburger Kreiszeitung

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