6 Euro pro Tag zum Leben…Einführung ins Asylrecht

Veröffentlicht am 17.09.2007
in Redaktioneller Eintrag

Veröffentlicht am 17.09.2007

6 Euro pro Tag zum Leben…

Informations- und Ausspracheabend „Einführung ins Asylrecht“ mit Erol Schirin, Sozialarbeiter des Landratsamtes Ludwigsburg

Etwa 290 Asylbewerber leben zurzeit in Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises. Sie sind vorwiegend im ehemaligen GETRAG-Wohnheim in der Hermann-Hagenmayer-Str. in Ludwigsburg und im ehem. Eisenbahner-Wohnheim in der Villeneuvestr. in Kornwestheim untergebracht. Die Flüchtlinge in Ludwigsburg kommen aus allen Ländern der Erde. Viele stammen aus Regionen, in denen Krieg war oder immer noch kriegsähnliche Zustände herrschen. Herkunftsländer einer größeren Gruppe von Flüchtlingen sind Kosovo und Balkanstaaten, Türkei, Iran, Irak, Afghanistan und auch China.

Asylbewerber dürfen im ersten Jahr ihres Aufenthalts in Deutschland nicht arbeiten und sind zum Nichtstun verurteilt. Insbesondere viele junge Männer können sich darum in der fremden Umgebung nur schwer orientieren.
Für ihren Lebensunterhalt erhalten Flüchtlinge monatlich € 40,90 Taschengeld. Außerdem werden ihnen Sachleistungen für Ernährung, Hygiene und Körperpflege im Wert von € 184.- monatlich zugeteilt. Der evang. Flüchtlingsbeauftragte Pf. Martin Kreuser weist darauf hin, dass bei Kinder- und Jugendfreizeiten im Bereich der ev. Kirche mit einem knapp kalkulierten Verpflegungssatz von € 7 pro Kind und Tag gerechnet werden muss. Er liegt damit höher als die gesamte Verpflegungszuwendung an einen erwachsenen Asylbewerber. Der Verpflegungssatz nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz ist in Höhe und Umfang seit 15 Jahren unverändert geblieben. Dabei sind die Dinge des täglichen Bedarfs mit der Einführung des Euro und in der Folge der allgemeinen Preisentwicklung seit 1993 jährlich teurer geworden.
Positiv äußerte sich der erfahrene Sozialarbeiter zur Einführung von Kundenkontenblättern im Landkreis Ludwigsburg. Damit können Flüchtlinge in bestimmten wohnortnahen Lebensmittelgeschäften selber bedarfsgerecht Lebensmittel einkaufen. Ausgenommen sind alkoholische Getränke, Tabakwaren und Blumen. Die vor 2 Jahren eingeführte Regelung hat den bürokratischen Aufwand verringert und die Zufriedenheit der Flüchtlinge erhöht.

Asylbewerber werden im Krankheitsfall von einem Hausarzt medizinisch versorgt. Allerdings muss der behandelnde Arzt eine umfassendere Behandlung zuvor vom Gesundheitsamt genehmigen lassen. Der Gesetzgeber will damit dafür sorgen, dass die medizinische Versorgung aufs absolut Notwendige beschränkt bleibt. Offen bleibt, ob nicht ein Verzicht auf das aufwändiges Genehmigungsverfahren und vermehrtes Vertrauen in den behandelnden Hausarzt mehr zur Kostendämpfung beitragen würden.
Alle Asylbewerber unterliegen auch noch in der Duldung der Residenzpflicht. Sie dürfen den Landkreis Ludwigsburg nicht verlassen. Selbst Fahrten nach Stuttgart (z.B. zu einem muttersprachlichen Gottesdienst) sind genehmigungspflichtig. Heidi Gauch vom Arbeitskreis Asyl Möglingen berichtet von einer Großmutter, der es verwehrt wurde, während der Erkrankung der Tochter ihre in Zuffenhausen lebenden Enkel zu hüten.
Auch erschwert die Anbindung an den Landkreis die Arbeitsaufnahme nach Ablauf des Asylverfahrens. Denn selbst wenn ein Flüchtling anderswo im Großraum Stuttgart Arbeit findet, muss er weiter im Landkreis Ludwigsburg wohnen bleiben.

Viele Flüchtlinge, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, werden vorläufig geduldet, weil sie aus politischen oder humanitären Gründen nicht in ihr Herkunftsland ausreisen können. Wenn sie dann Arbeit und Wohnung finden suchen, müssen sie oft erhebliche Hindernisse überwinden. Weil die Städte im Landkreis nicht mehr aufnehmen wollen als ihnen vorgeschrieben wird, dürfen Flüchtlinge nur in den umliegenden Landgemeinden Wohnraum anmieten. Ebenso schwierig gestaltet sich oft die Arbeitsaufnahme. Hat eine Fast-Food-Kette oder eine Reinigungsfirma einmal einem Arbeitsvertrag zugestimmt, müssen Flüchtlinge (und Arbeitgeber!) oft mehrer Wochen warten, bis von der Agentur für Arbeit und vom zuständigen Ausländeramt die Genehmigung der vorliegt und die doppelte Verhinderungsweiche auf grün geschaltet worden ist.

Für 2008 werden in Deutschland insgesamt weniger als 30 000 Asylsuchende erwartet. Deutschland nimmt damit von den Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, einen Anteil auf, der unter dem Promillebereich liegt. Dabei erhielt jeder dritte in den letzten Monaten eingereiste Flüchtling ein vorläufiges Aufenthaltsrecht. Es handelt sich dabei zumeist um Angehörige einer verfolgten religiösen Minderheit aus dem Irak, vorwiegend Christen und Yesiden. Auf diesem Hintergrund wurde die Hoffnung geäußert, dass alle Flüchtlinge während der Zeit ihres Aufenthaltes in Ludwigsburg möglichst umgehend Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten und selber noch mehr dazu beitragen können, sich in den Alltag zu integrieren.

Martin Kreuser

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